Fotoarchiv
„Patio 13 – Schule für Straßenkinder“ ist eine internationale Bildungsinitiative der Pädagogischen Hochschule Heidelberg und der kolumbianischen Lehrerbildung („Escuelas Normales Superiores“), an der namhafte Universitäten in Deutschland (Heidelberg und Freiburg) und in Kolumbien (Universidad de Antioquia, Medellín, und Universidad Externado de Colombia, Bogotá) beteiligt sind.
Patio13, Patio 13, Strassenschule, Straßenkinder, Straßenkids, Sozialpäd, Sozial, Einrichtung, Konzept, Hilfen, systemisch , Jugendarbeit, Menschen, in, besonderen, Problemlagen, Drogen, streetworker, Jugendhilfe, Kolumbien,
15724
page-template,page-template-full_width,page-template-full_width-php,page,page-id-15724,bridge-core-2.1.3,qode-quick-links-1.0,ajax_fade,page_not_loaded,, vertical_menu_transparency vertical_menu_transparency_on,qode-title-hidden,qode-theme-ver-20.0,qode-theme-bridge,disabled_footer_top,qode_header_in_grid,wpb-js-composer js-comp-ver-6.2.0,vc_responsive,elementor-default

Straßenkinder fotografieren sich selbst

 

„Authentischer als schriftliche Berichte vermögen Fotos eine unmittelbare Vorstellung über die Welt anderer Menschen zu vermitteln. Zumal wenn diese Bilder von den Betroffenen selbst aufgenommen worden sind… Wahrscheinlich hatte keines der am Projekt beteiligten Kinder und Jugendlichen jemals zuvor eine Kamera in Händen gehalten, und die wenigsten werden sich schon einmal auf einem Foto betrachtet haben. Gerade das aber hat ihr Interesse beflügelt… Bei den Bildern der Kinder fallen der Standpunkt der Fotografen und der Standpunkt der Abgebildeten zusammen. Das betrachtete und das betrachtende Subjekt sind ein. Was dabei sichtbar wird, ist ein Teil der Wirklichkeit, des Charakters und der Gemütszustände der Protagonisten…“
(aus Hartwig Weber / Sor Sara Sierra: Narben auf meiner Haut, Frankfurt / Wien / Zürich o.J., S. 18)

„Kindermütter – Minderjährige auf der Straße, die schwanger werden und Kinder bekommen“

Immer mehr schwangere Mädchen

„Seit einiger Zeit gibt es am Rojas-Pinilla-Platz und auf der Avenida El Prado immer mehr schwangere Mädchen. Dieselbe Beobachtung kann man auch in anderen Städten Kolumbiens machen, mehr noch, sie trifft offenbar für den ganzen Kontinent zu. Obgleich das Bevölkerungswachstum zurückgeht, steigt die Anzahl der Schwangerschaften Minderjähriger und der Kindermütter. Dasselbe Phänomen wird auch aus anderen Ländern und Kontinenten berichtet. Die Zunahme der Zahl schwangerer Minderjähriger und jugendlicher Mütter ist besonders in armen Bevölkerungsschichten zu beobachten. Die betroffenen Jugendlichen, die aus unterprivilegierten Familien stammen, haben oft eine geringere Schulbildung als ihre Altersgenossinnen, die erst später Nachwuchs bekommen.

Diese Zusammenhänge treffen bis zu einem gewissen Grad auch auf die Industriestaaten, selbst auf Deutschland zu. Überall ist das Bevölkerungswachstum rückläufig, aber die Abnahme der Geburten Minderjähriger fällt weniger stark aus. Bei den ganz jungen Müttern unter 17 Jahren steigt die Zahl der Schwangeren in letzter Zeit sogar an. (…)

Schwangerschaften Minderjähriger haben Folgen, die die Mütter, ihre Familien, ihre Umgebung und auch den Staat belasten. Minderjährigen Schwangeren droht die soziale Isolation und Stigmatisierung. Ohne Schulabschluss gelingt es ihnen kaum, die Voraussetzungen für ein gelingendes Leben zu schaffen. Eine frühe Schwangerschaft erhöht insbesondere in armen Ländern für die Mutter und ihre Familie das Risiko zu verelenden. Alleinstehende junge Mütter haben selten, und dann nur eingeschränkt, die Möglichkeit zu arbeiten und Geld für den eigenen Unterhalt wie für den ihrer Kinder zu verdienen. Da junge Mütter samt Nachwuchs häufig bei ihren Eltern Unterschlupf suchen, die ohnedies in beengten und ärmlichen Verhältnissen leben, werden wiederum deren Einkommen und die Überlebenschancen noch stärker belastet. Unter den negativen Folgen verfrühter Mutterschaft leiden besonders die betroffenen jungen Frauen, zumal die Väter häufig jegliche Verantwortung abstreiten und ihre Pflichten nicht wahrnehmen.“

(aus Hartwig Weber / Sor Sara Sierra Jaramillo: Bildung gegen den Strich. Lebensort Straße als pädagogische Herausforderung, München 2013, S. 45)

„Cambuches – wo Straßenbewohner die Nacht verbringen“

„Flussabwärts türmt sich eine weitere, gewaltige Brücke auf, die die Straßen gebündelt von den oberhalb liegenden Slums über den Fluss zur jenseits gelegenen Haltestelle der Metro führt. Im Schutz der Brücke haben sich drei parches (Gruppen von Straßenbewohnern) auf der einen und zwei weitere auf der anderen Flussseite angesiedelt: Von weitem sehen ihre cambuches (Behausungen) aus wie Abfallhaufen aus Stoff und Brettern. Um die wackeligen Holzverschläge herum, die mit Decken und Folien abgedeckt sind, hat sich Unrat angesammelt; Essensreste, Papier und Karton, alte Socken und Hemden, Stofffetzen, zerbrochenes Geschirr und vieles mehr. An einem kleinen Feuer sitzen eine Frau und zwei ältere Männer. Sie schneidet Kartoffeln, Grünzeug und Kochbananen in einen Topf, der dampft und aus dem ein paar Schweineknochen herausragen. Einige Hunde streunen herum. Kommt man ihnen zu nahe, fletschen sie die Zähne und fangen an zu bellen. (…)“

(aus Hartwig Weber / Sor Sara Sierra Jaramillo: Narben auf meiner Haut, Frankfurt am Main/Wien/Zürich o.J., S. 55)

„Straßenpädagogik – Bildungsangebote und Orientierungshilfe auf der Straße“

„Es ist früher Nachmittag, die Sonne steht noch hoch. Eine kleine Gruppe von Studentinnen hat sich mitten auf dem Rojas-Pinilla-Platz im Zentrum von Medellín niedergelassen. (…) Die Passanten wundern sich über das Bild, das sie abgeben. (…) Die Studentinnen haben große Kartons und Papierbögen auf dem Boden ausgebreitet, Buntstifte und Schreibzeug unter den Kindern verteilt. Es wird gemalt, geschrieben, gelacht und gespielt – eine geschäftige und konzentrierte Atmosphäre mitten im Verkehrsgewühl. (…)

Patio 13 stellt eine Aufforderung an Lehrer, Dozenten und Lehramtsstudierende dar, selbst auf die Straße und in die Slums zu gehen, um die Lebenswirklichkeit junger Straßenbewohner kennenzulernen. An der Escuela Normal Superior María Auxiliadora in Copacabana ist ‚Straßenpädagogik‘ inzwischen in den Lehrplan der Lehrerausbildung eingegangen – zum ersten Mal in der Geschichte des Landes.“

(aus Hartwig Weber / Sor Sara Sierra Jaramillo: Bildung gegen den Strich. Lebensort Straße als pädagogische Herausforderung, München 2013, S. 135ff.)